Vor dem Hintergrund der jugend- und bildungspolitischen Debatte über eine stärkere Kooperation, Koordination und Vernetzung zwischen Akteuren der formalen und non-formalen Bildung wurde seitens der beiden verantwortlichen Ministerien in Japan (Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology/MEXT) und Deutschland (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/BMFSFJ) die Durchführung des Studienprogramms zum Thema „Zusammenarbeit formaler und non-formaler Bildung“ vereinbart, das unmittelbar an die Fachaktivitäten im letzten Jahr zum selben Thema anknüpft.
Für den fachlichen Erfahrungsaustausch standen sowohl Informations- und Diskussionstreffen, Projektbesuche sowie Workshops zur Vertiefung des Themas in Tokio und in der Präfektur Nara auf dem Programm. Die Ergebnisse und Erfahrungen des Studienprogramms wurden am Ende des Aufenthaltes den beteiligten Ministerien und einem breiten Interessentenkreis in Zusammenarbeit mit der zeitgleich in Japan anwesenden Fachgruppe des JDZB in Tokio vorgestellt.
Die Definition bzw. Abgrenzung von Jugendarbeit, außerschulischer (Jugend-)Bildung und non-formaler Bildung zeigte sich als große Herausforderung im Austausch mit den japanischen Fachkräften. In der japanischen Diskussion leistet die (außerschulische) Jugendbildung (青少年教育), die eng mit schulischer Bildung des Bildungsministeriums MEXT verknüpft ist, einen wichtigen Beitrag. Darüber hinaus spielen neben der Erziehung in der Familie (家庭教育) im Sinne des lebenslangen Lernens (生涯教育) auch die gesellschaftliche Bildung (社会教育) und gemeinwesenorientierte Bildung (地域教育) eine zunehmend wichtige Rolle im Leben junger Menschen. Weitere außerschulische Angebote bieten die Einrichtungen der Jugendsozialarbeit des japanischen Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales.
Bildung findet in Japan in erster Linie im schulischen Kontext statt und ist charakterisiert durch einen ganzheitlichen Bildungsansatz. Non-formale Bildung bzw. (außerschulische) Jugendbildung ist strukturell an Schule gebunden bzw. durch die erlebnispädagogischen Programmangebote in den Bildungsstätten der National Institution for Youth Education (NIYE) stark institutionalisiert. Durch die Entsendung von Lehrkräften in außerschulische Einrichtungen bestehen enge personelle Verflechtungen zwischen Schule und außerschulischen Angeboten des japanischen Bildungsministeriums.
In der Jugendstrategie “Vision for Children and Young People” von 2010, die auf der Grundlage des nationalen Gesetzes „Act on Promotion of Development and Support of Children and Young People“ von 2009 formuliert wurde, ebenso wie im neuen Bildungsplan wird die intensivere Kooperation zwischen Schule und (außerschulischer) Jugendbildung sowie die stärkere Einbeziehung der „Community“ (Nachbarschaft) zur Förderung der gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefordert.
Die Vergrößerung des Wirkungsbereiches von Schule durch eine Öffnung für Akteure des Sozialraum steht in der aktuellen japanischen Diskussion im Vordergrund. Außerschulische Bildungsangebote werden zunehmend in den schulischen Kontext einbezogen, u.a. auch um die Lehrkräfte zu entlasten. Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft engagieren sich im Sinne der gemeinwesenorientierten Bildung bei Klubaktivitäten, im Projektunterricht und bei der Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag in der Schule. NPOs sowie außerschulische Bildungskoordinatoren leisten einen wichtigen Beitrag, um die „Community“ mit der Schule zu vernetzen. Das Konzept von „Career Guidance“, das jedem jungen Menschen eine gute Grundlage für die Entwicklung der beruflichen und sozialen Eigenständigkeit mit auf den Weg geben möchte, gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Trotz der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Strukturen, haben die deutschen Fachkräfte interessante Anregungen für die deutsche Diskussion mitgenommen:
- Verstärkte Integration von Ehrenamtlichen in der Schule fördert u.a. auch die Transparenz
- Durch Rollentausch von LehrerInnen und MitarbeiterInnen der außerschulischen Bildung wird ein Perspektivwechsel möglich
- Gegenseitige Wertschätzung zwischen Schule und Trägern stärken
- Der Ausbau von institutionellen Netzwerken sollte vorangetrieben werden und auch die soziale Dimension einbeziehen
- Die Erfahrungen in Japan haben die Machbarkeit von Projekten in der Schule verdeutlicht; die Vielfalt der Trägerlandschaft und der Bestand der Eigenständigkeit sollten gewahrt werden.
Aus den Gesprächen mit den japanischen Kolleginnen und Kollegen wurden insbesondere die folgenden Herausforderungen aufgegriffen:
- Schule sollte dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen
- Zeitliche Entlastung der Lehrkräfte schaffen; Schule sollte Verantwortung an die MitarbeiterInnen der außerschulischen Bildungsangebote sowie an SchülerInnen abgeben
- Außerschulische Bildungskoordinatoren und NPOs stärken zur Förderung der non-formalen Bildung
- Qualifizierung und Professionalisierung im sozialpädagogischen Bereich vorantreiben
- Ganzheitliches, Institutionen übergreifendes Bildungsverständnis bewahren
Das Reverseprogramm für japanische Fachkräfte in Deutschland zum Thema „Zusammenarbeit von schulischer und non-formaler Bildung" vom 25.11. bis zum 08.12.2012 bietet eine gute Gelegenheit die identifizierten Herausforderungen zu thematisieren und den Austausch weiter zu vertiefen.
Am 24. Mai fanden die ersten deutsch-japanischen Regierungsgespräche für 2012 statt. Die Absprachen für die Fachaktivitäten im Jahr 2013 inkl. Themenfestlegung werden anlässlich der zweiten bilateralen Fachgespräche im Dezember 2012 in Bonn konkretisiert.