In welcher Funktion sind Sie auf dieser Konferenz?
Florence Gabbe: Ich bin beim DFJW für trilaterale Programme zuständig. Das heißt wir fördern Jugendaustauschprogramme und Fortbildungen für Multiplikator/-innen aus Deutschland, Frankreich und einem weiteren Land. Neben Südosteuropa, Mittel- und Osteuropa liegt der Schwerpunkt der durch uns geförderten trilateralen Programme auch auf den Anrainerländern des südlichen und östlichen Mittelmeers. So z. B. auf Ägypten oder vor allem auch dem Maghreb, mit Marokko, Tunesien und Algerien.
Welche Erwartungen knüpfen Sie an diese Konferenz?
Florence Gabbe: Zum einen ist es das Netzwerken, das mir sehr wichtig ist. Ich möchte neue Vereine kennenlernen oder solche, mit denen ich nur per Mail bisher im Kontakt stehe, persönlich treffen, um die Zusammenarbeit vertiefen zu können. Ich möchte verstehen, woran unsere Partnervereine gerade arbeiten und wie man sie darin unterstützen kann. Wichtig ist zudem Anknüpfungspunkte mit anderen Vereinen in Deutschland oder Frankreich zu finden, um gegebenenfalls neue Kooperationen anzustoßen, das gemeinsame Entwickeln von Methoden und einen Wissenstransfer auf Augenhöhe zu ermöglichen. Ich suche also auch gezielt nach Bedarfen und Interessen, auf die wir mit Fortbildungsangeboten des DFJW oder unserer Partnerorganisationen reagieren können. Dazu möchte ich auch wissen, was Jugendliche interessiert und bewegt, damit in Programmen darauf reagiert wird und wir dahingehend ebenfalls gezielt finanziell und pädagogisch fördern können. Darüber hinaus sind solche Konferenzen sehr wichtig, um ins Gespräch mit anwesenden Ministeriumsmitarbeitern zu kommen, diese in direkten Kontakt mit der Zivilgesellschaft zubringen und eine Art Brückenfunktion einzunehmen. Als fördernde Struktur können wir unsere Partnerorganisationen vertreten und uns für ihre Interessen stark machen. Gleichzeitig können wir Nachrichten der Regierungsebene weiterleiten, damit auch Vereine frühzeitig wissen, welche Pläne und Ziele in ihren Ländern in der Jugend- und Bildungspolitik, ganz besonders in Bezug auf internationalen Jugendaustausch, verfolgt werden.
In der Podiumsdiskussion haben wir ja einiges gehört über die spezifischen Herausforderungen in den nordafrikanischen Ländern in Bezug auf die Situation Jugendlicher. Wo sehen Sie da Chancen für den Internationalen Jugendaustausch
Florence Gabbe: Ganz allgemein würde ich sagen, dass die internationale Jugendarbeit glücklicher Weise wieder mehr ins Interesse rückt. Man sieht welche Mehrwerte in der Mobilität liegen. Es wird interkulturelles Wissen vermittelt und somit der Dialog zwischen Regionen, zwischen Ländern verbessert. Jugendliche gewinnen Kompetenzen, die es ihnen ermöglichen, Situationen in anderen Ländern anders zu einzuschätzen und zu analysieren, zu bewerten und Informationen ganz allgemein kritisch zu überdenken. Ihr Selbstwertgefühl nimmt zu und ihr Umgang anderen gegenüber wird toleranter. Gleichzeitig lernen sie, Initiative zu ergreifen und sich zu engagieren. Wo die internationale Jugendarbeit weiterhin Unterstützung braucht, ist in der Ansprache mobilitätsferner Jugendlicher. Wir sollten uns also fragen, wie wir alle jungen Menschen erreichen können und ihnen eine Teilnahme an Programmen ermöglichen können. Ein weiterer Punkt ist das existierende Ungleichgewicht zwischen Akteuren der internationalen Jugendarbeit. In manchen Ländern agieren viele Personen nach wie vor ehrenamtlich. Dies wirkt sich auch auf die Arbeitsweise aus – die Möglichkeiten sind einfach andere als für jene, die sich hauptberuflich mit internationalen Jugendaustausch beschäftigen. Es werden Gelder zur Verfügung gestellt, aber – wie in der Podiumsdiskussion von Frau Dreber erwähnt – geht das Geld dann nicht immer an die Zivilgesellschaft, sondern an die Kommunen. Ein weiteres Beispiel sind auch Vorgaben zur Mittelvergabe. Selbstverständlich müssen Kriterien festgelegt werden, es muss jedoch auch erkannt werden, dass nicht ausschließlich solche Projekte erfolgsbringend sind, die „große Titel“ tragen. Ein Beispiel der Podiumsdiskussion war die Bekämpfung radikalisierter Gewalt. Es sind nicht nur jene Projekte die direkt von Radikalisierung sprechen, sondern auch solche, die Jugendliche darin unterstützen sich zivilgesellschaftlich zu engagieren, kritisch zu denken und mit Jugendlichen zusammenzukommen, die ebenfalls gefördert werden sollten. Dabei kann es sich auch um Umwelt-, Kultur- oder andere Projekte zur interkulturellen Bildung und des internationalen Austauschs handeln, die pädagogisch gut erarbeitet sind und bestimmte Kompetenzen über non-formale und informelle Bildungswege fördern. Auch diese sind Instrumente, um Jugendliche einzubeziehen und sie aus Risikozonen rauszuziehen. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen und erfahren Wertschätzung. Den Begriff Empowerment empfinde ich dabei als sehr wichtig, weil Jugendliche nicht nur beobachtend teilnehmen sollen, sondern befähigt, angehört, ihre Stimme oder Leistung anerkannt werden soll. Sie können dadurch wirklich etwas bewirken und eine Funktion übernehmen.
Vor dem Hintergrund, dass ja auch in Deutschland und in Frankreich internationaler Jugendaustauch nach wie vor darum kämpft, auch Jugendliche mit weniger privilegierten Hintergründen zu erreichen, ist es eine reelle Möglichkeit hier in Nordafrika, Jugendaustauch als Bildungs- und Erfahrungsoption für junge Menschen zu etablieren?
Florence Gabbe: Ich denke schon, dass es eine Möglichkeit ist. Wie so oft hängt dies jedoch von mehreren Faktoren ab. Es ist eine Frage der Zusammenarbeit, der Vernetzung und der Sensibilisierung. Manchmal fehlt den Jugendlichen das Selbstvertrauen oder in der Familie oder im Umfeld fehlt es an Rückhalt. Es müssen viele Seiten mit einbezogen werden, die über internationalen Jugendaustausch informieren und zeigen wie Barrieren und Hindernisse abgebaut und überwunden werden können. Mentoren können die Jugendlichen dabei auch hilfreich unterstützen. Finanzielle Mittel spielen natürlich auch eine Rolle. Aber der Internationale Jugendaustausch ist auf jeden Fall ein wichtiges Mittel, um Disparitäten aufzubrechen. Man muss an den richtigen Stellen andocken und man muss Programme auch flexibel gestalten und möglicherweise an vorhandene Bedürfnisse anpassen. Unter Umständen lassen sie sich in der Form, wie sie gewachsen sind, nicht mehr umsetzen. Manchmal braucht es mehr Betreuungsaufwand, der sich dann aber eben auch lohnt. Das wird oft verkannt. Man möchte gerne die Austauschzahlen steigern, aber man berücksichtigt unter Umständen zu wenig, dass die Arbeit pädagogisch betreut und aufgearbeitet sein muss.
Was würden Sie sich für die zukünftige Kooperation mit den nordafrikanischen Staaten wünschen?
Florence Gabbe: Ich würde mir natürlich wünschen, dass jeder Jugendliche die Chance erhält, an einem Jugendaustausch teilzunehmen. Wir haben momentan immer wieder das Problem, dass Jugendliche aus den nordafrikanischen Ländern nicht an Programm teilnehmen können, weil sie kein Visum erhalten. Gerade diejenigen, die man ansprechen und fördern möchte, fallen dann durch das Netz. Es wäre schön, wenn das Reisen einfacher würde und man auch Jugendliche aus weniger elitären Bildungsmilieus erreicht.