Kommune goes International

Europäischer Rückenwind für die kommunale Jugendarbeit

European Youth Work Agenda und Bonn-Prozess

Mit der Veranstaltung KGI+ erfuhren Fachkräfte lokaler Jugendarbeit Anfang März 2024, wie sie europäische Ressourcen zum Erfolg ihrer Arbeit nutzen können und welchen Beitrag sie damit zur Entwicklung einer erstarkten europäischen Jugendarbeit leisten können. Mit Beispielen guter Praxis und der Expertise von Bund und EU entwickelten sie in diesem Werkstattgespräch eigene Projektideen dazu.

11.04.2024 / Roman Thieltges

KGI+ (Kommune goes international +) ist die Zusammenarbeit von IJAB und JUGEND für Europa zur Unterstützung der Fachkräfte, die auf lokaler Ebene Jugendarbeit koordinieren oder ausführen, ob in internationalen Zusammenhängen oder mit Interesse daran. Lokal die Internationale Jugendarbeit zu stärken und Fachkräften anderer Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe zusätzliche Potenziale durch eine internationalisierte Herangehensweise aufzuzeigen ist das Ziel der Zusammenarbeit.

Seit einiger Zeit besteht für diese Zielgruppe ein potentiell wirkmächtiges Instrument, das sie in der Anerkennung ihrer Arbeit unterstützt: die Europäische Agenda für Jugendarbeit (engl. European Youth Work Agenda, kurz EYWA).

Die Agenda wurde erstmals in der Abschlusserklärung des 2. Europäischen Jugendarbeitskongresses im Jahr 2015 gefordert und fand sich daraufhin in der Europäischen Jugendstrategie 2019–2027 der Europäischen Union und der Empfehlung des Europarates zur Jugendarbeit von 2017 wieder. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Agenda dann während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des deutschen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarates eingerichtet.

Zu den Zielen der Agenda gehören die Etablierung der Jugendarbeit[i] als wesentlicher Bestandteil der Jugendpolitik, die Sicherstellung und Ausweitung des Angebots an Jugendarbeit sowie eine voranschreitende Entwicklung hoher Qualitätsstandards. 

Mit der Agenda verbunden ist der Bonn-Prozess. In diesem sind alle Akteure der Jugendarbeit eingeladen, sich als treibende Kraft an der Ausgestaltung der Agenda zu beteiligen, um als eine europäische Fachgemeinschaft die Vorteile für junge Menschen vor Ort und in ganz Europa voranzubringen. Angesprochen sind alle: junge Menschen, kommunale Fachkräfte, freie Träger, die nationalen Agenturen Erasmus+ usw.

Während es Stakeholdern in etlichen Regionen Europas, in denen Jugendarbeit bis dato wenig ausgebaut ist oder öffentliche Unterstützung erfährt, einfach fällt, die Agenda und den Bonn-Prozess intensiv als Hilfsmittel zum Aufbau von Strukturen zu nutzen, stellten IJAB und JUGEND für Europa in Deutschland eine bislang verhaltene Reaktion fest. Manchen Fachkräften ist sowohl die Agenda als auch der Prozess gar nicht bekannt oder aber die offene Definition verunsichert und hindert Fachkräfte an der Initiative, beide Instrumente mit der eigenen Arbeit zu verknüpfen, als Ansatz für Innovation, mehr Ressourcen und zur Stärkung der eigenen Arbeit in einer Zeit härter umkämpfter Ressortbudgets.

Häufig resultiert die Zurückhaltung auch aus der Überzeugung, dass die in der Agenda formulierten Ziele in den deutschlandweit etablierten Strukturen bereits Form gefunden haben. Gleichzeitig äußerten Fachkräfte gegenüber IJAB und JUGEND für Europa jedoch wiederholt den Wunsch, mehr über den Bonn-Prozess zu erfahren, um diesen für sich nutzen zu können.

Im Gespräch zu neuen, europäischen Ressourcen

Hierauf hat KGI+ reagiert und ist deshalb mit einem Werkstattgespräch zu diesem Thema in das Jahr 2024 gestartet. Am 29. Februar und 1. März fand dieses unter Beteiligung des Bundesjugendministeriums im Rathaus der westfälischen Hamm statt. Katharina Teiting, die in den vergangenen Jahren das Projekt Generation Europe des Interkulturellen Bildungs- und Begegnungswerks e.V. (IBB) geleitet hatte, führte durch die Veranstaltung. Aus Generation Europe brachte sie ausgewiesene Erfahrung darin, erstens die eigene Arbeit in den Bonn-Prozess zu integrieren, zweitens diesen als zusätzliche Ressource zu nutzen und drittens einen aktiven Beitrag zur Gestaltung einer europäischen Jugendarbeit zu leisten, mit.

Gut zwanzig Teilnehmende aus Kommunen deutschlandweit hatten sich Plätze bei diesem Austausch gesichert. Dabei waren unter anderem Vertreter*innen aus Bochum, Salzgitter, Meißen, dem Kreis Mainz-Bingen, Bonn, Bamberg usw.

Am ersten Tag tauschten die Teilnehmenden zunächst ihre Erfahrungen zur Nutzung europäischer Ressourcen für die eigene Arbeit aus. Als Bereicherung erwies sich, dass die Teilnehmenden nicht ausschließlich Fachkräfte der kommunalen Internationalen Jugendarbeit waren, sondern auch Interessierte aus anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe ihre Perspektiven in die Debatte einbrachten.

Anschließend verschafften Referierende den Teilnehmenden einen vertieften Einblick in die Materie. Dafür sorgten Einführungen in europäische Förderprogramme, ein Überblick über Serviceangebote von Fachstellen auf Länder- und Bundesebene und Informationen zu Strategien des Bundesministeriums. Auch herausragende Beispiele gelebter Praxis wurden vorgestellt. So berichtete Katharina Teiting vom Projekt Generation Europe des IBB und Darko Mitevski von NaturKultur aus Bremen. Beide Projekte gehen unterschiedlich vor.

Generation Europa und NaturKultur e. V. – zwei Vorreiter im Bonn-Prozess

Zentrales Ziel von Generation Europe ist es, junge Menschen „zu motivieren sich gesellschaftlich einzubringen und sie zu ermächtigen ihr Lebensumfeld aktiv zu gestalten“. Dafür bringen die Projektverantwortlichen in Zusammenarbeit mit Fachkräften vor Ort junge Menschen in europäischen Tridems zusammen. 15 deutsche Projektpartner sind beteiligt, außerdem das IBB für die Gesamtkoordination. Die Tridems gehen lokale Projekte und Herausforderungen gemeinsam an, beraten sich und lernen voneinander. Dabei besuchen sie sich gegenseitig über drei Jahre hinweg, jeweils zu Gast an einem der drei beteiligten Orte. Im Ergebnis entstehen dank supranationaler Ressourcen nicht nur europäische Lösungen, die oft innovativer sind als rein lokal gedachte. Es entstehen auch neue Netzwerke mit neuen, oft dauerhaften Potentialen.

Der Verein NaturKultur ist indes eine Bremer Initiative. Der Verein engagiert die unterschiedlichsten Bremer Akteure in gemeinsamen und vernetzten Aktivitäten. Schulen sind beteiligt ebenso wie Vereine, Nichtregierungsorganisationen, freie Träger, Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die Stadt und ihre Einwohner*innen. Sie alle arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, um vernetzt aus den verschiedenen europäischen Förderangeboten, beispielsweise dem Europäischen Solidaritätskorps und ERASMUS+ in lokalen Aktionen ein Maximum an Lernmöglichkeiten für junge Menschen in Bremen zu generieren.

Beide Beispiele zeigten gut, in welch großartigen Netzwerken ein europäisches Denken im Engagement der Fachkräfte führen kann.

Europäische Ressourcen: für alle nur mit allen

Wie die ersten Schritte dahin aussehen könnten, war Schwerpunkt des zweiten Seminartages. Dieser gab der Veranstaltung ihren Werkstattcharakter; die Teilnehmenden gingen in den Austausch miteinander. In Gruppen arbeiteten sie an Ideen zur Umsetzung der vorgestellten Ressourcen, Programme und Strategien im Rahmen der eigenen Tätigkeit. Abschließend stellten sie diese den anderen Gruppen im Plenum vor. Ein Schwerpunkt der Arbeit lag dabei auf den Techniken der Interessenvertretung, um nicht im besten Sinne des Worts von Lobbyarbeit zu sprechen. Hierin entdeckten viele der Teilnehmenden die größten Potenziale für eine internationale Stärkung der lokalen Jugendarbeit. Diese steckt in geschickter Ansprache von Kommunalpolitikern*innen, der Einbeziehung der Öffentlichkeit, nachhaliger Netzwerkarbeit. Es schließt aber auch die Notwendigkeit ein, ausreichend Ressourcen für die Koordination dieser Aktivitäten bereitzustellen.

Am Ende zeigte sich, worin einer der großen Mehrwerte des Bonn-Prozesses für Fachkräfte in Deutschland liegt: nicht nur die Teilnehmenden mit Zuständigkeit in der Internationalen Jugendarbeit zogen Inspiration und Lösungsansätze aus der Veranstaltung, sondern auch und insbesondere die Teilnehmenden aus den anderen Bereichen, zum Beispiel der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Sie alle haben mit großer Motivation für neue Projekte und europäischen Einsatz die Rückreise in die verschiedenen Ecken Deutschlands angetreten.

Ein Dank geht abschließend erneut an die Stadt Hamm, die wie schon im vergangenen Jahr für das Jahrestreffen im Netzwerk „Kommune goes international“ wieder sehr freundlich als Gastgeber zur Verfügung standen.

Weiterführende Informationen

[i]Der Begriff Youth Work im Sinn der Europäischen Agenda für Jugendarbeit ist weiter gefasst als in der Bundesrepublik. Weite Bereiche der Jugendsozialarbeit fallen zum Beispiel ebenfalls darunter. Im Folgenden ist in diesem Kontext Jugendarbeit in ihrem europäischen, weiteren Sinn gemeint.

Über das Netzwerk Kommune goes International

Das Netzwerk Kommune goes international (KGI) ist die Anlaufstelle für Kommunen, die gezielt Angebote Internationaler Jugendarbeit lokal aus- und aufbauen möchten. Erfahren sie mehr darüber!

Ansprechperson
Roman Thieltges
Referent für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit
Tel.: 0228 9506-111